Institut für Rehabilitationspädagogik Körperpädagogik
„Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute…“ beendet Iiros Oma ihre Geschichte, während Iiro vor ihr auf einer Matte sitzt und sein Oberkörper sich gegen ihren lehnt. Ganz warm und geborgen fühlt es sich an, wenn seine Oma die Arme von hinten um ihn legt. Draußen regnet es schon den ganzen Morgen, also haben der sechsjährige Iiro und seine Oma kurzerhand beschlossen, den Tag mit Iiros liebstem Märchenbuch zu verbringen. Immer wenn seine Oma ihm von fernen Ländern, edlen Königskindern und sprechenden Tieren erzählt, lauscht Iiro gebannt. Denn obwohl er selbst nicht spricht, versteht er ihre Erzählungen. Wenn gerade niemand zum Vorlesen da ist, schaut er sich auch gerne ein Video oder einen seiner Lieblingsfilme an und träumt vielleicht von märchenhaften Welten.
Während Iiro und seine Oma gemeinsam durch das Märchenbuch blättern, betritt Iiros Mutter den Raum. Als Iiro vom Märchenbuch aufsieht und erkennt, wer da gerade das Zimmer betreten hat, formt sich sein Mund zu einem breiten Lächeln und er gibt sich große Mühe, seine Hand leicht zum Gruß zu heben.
„Na ihr zwei. Was lest ihr denn da Tolles?“ fragt sie und kniet sich neben Iiro und seine Oma. Dabei betrachtet sie die aufgeschlagene Buchseite. „Wow, da geht es ja um Ritter und Drachen. Das ist ja spannend. Das gefällt dir, oder Iiro?“ Als Antwort lautiert Iiro lautstark und spannt seinen Körper voller Aufregung an. Iiros Mutter und Oma lachen beide auf. „Das ist doch das perfekte Buch für unseren Iiro“ sagt die Oma und blättert auf die nächste Seite.
Neben seinen Märchenbüchern ist Iiro auch ein großer Fan von allen Filmen und Serien, die das Thema Märchen behandeln. Besonders eine animierte Märchenserie hat es ihm angetan. Die zwei Kobolde, die immer wieder in die verschiedensten Märchenwelten reisen und dort allerhand Unfug anstellen, sind aber auch zu komisch. Natürlich hat Iiro auch seine Lieblingsfolgen. Zum Beispiel die Folge zum Froschkönig schaut er wieder und wieder, ohne dass sie ihm langweilig wird.
Wenn ihm ein Film mal nicht gefällt oder er eine Szene noch einmal anschauen möchte, beginnt er zu weinen, oder versucht selbst an die Fernbedienung zu gelangen, um sein Anliegen auszudrücken. Auch wenn Iiro sich größte Mühe gibt, dass seine Eltern und andere Menschen um ihn seine Wünsche verstehen, kommt es auch immer wieder vor, dass sie nicht verstehen, was Iiro genau von ihnen möchte. Nicht selten enden solche Situationen dann in Enttäuschung für beide Seiten.
Warm in eine Decke eingekuschelt liegt Iiro auf der Matte und schaut die neuste Folge der Märchenserie mit den zwei Kobolden. Das Märchen, das in der Serie dargestellt wird, kennt er noch nicht aus seinem Märchenbuch. Aus diesem Grund verfolgt er die Handlung besonders aufmerksam. Nach einer besonders lustigen Szene breitet sich ein breites Lächeln auf Iiros Gesicht aus und er lautiert lebhaft. Als er sich wieder beruhigt hat, würde er die Szene am liebsten noch ein zweites Mal sehen, oder am besten auch direkt seinen Eltern zeigen. Sein Blick wandert zur Fernbedienung, die neben ihm auf dem Sofa liegt. Er kennt die Taste, die seine Eltern zum Zurückspulen nutzen und versucht diese mit seinem Fingerknöchel anzusteuern. Die Tasten sind jedoch so klein, dass er aus Versehen nicht die Rückspultaste, sondern eine Taste drückt, die die nächste Folge startet. Mit einem lauten „Eh, eeeh!“, ruft Iiro nach seinem Vater, der gerade in der Wohnküche das Abendessen vorbereitet. „Was gibt’s denn, Iiro?“ fragt sein Vater, während er angelaufen kommt. „Eh, eh, ehhh“, äußert Iiro weiter und weist mit seiner Hand erst in Richtung Fernseher, dann auf die Fernbedienung. Währenddessen spielt bereits die Intro-Melodie der neuen Folge. „Oh, ja, ist schon ganz schön laut, ich machs leiser“, erwidert Iiros Vater verständnisvoll und verringert mit der Fernbedienung die Lautstärke. „Eh, eh, eeeeeeeeeh!“, lautiert Iiro nun fordernder. „Immer noch zu laut?“ fragt Iiros Vater nun etwas verwirrt und drosselt die Lautstärke noch weiter. „Hmm, was meinst du denn? Soll ich vielleicht eine andere Folge anmachen?“ Iiro lautiert immer aufgeregter. „Eh, eh, eh, eh, eeeeeh…“ „Na gut, da hat dir die neue Folge wohl nicht so gut gefallen, was? Weißt du was? Ich mache dir die Folge mit dem Froschkönig an, den magst du doch am liebsten“, erwidert Iiros Vater schulterzuckend, während er sich durch die Folgenauswahl klickt. Als die Titelmelodie des Froschkönigs ertönt, beginnt Iiro zu weinen.
Aufgrund von Iiros eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten ist es ihm nicht möglich, gemäß seines Kommunikationsbedürfnisses zu handeln. Trotzdem versucht er immer wieder, eine gewinnbringende Kommunikation zu führen und hat auch stets eine Erwartungshaltung an seine Kommunikationspartner:innen.
Iiro ist also jederzeit auf die Interpretationsfähigkeit seiner Kommunikationspartner:innen angewiesen. Er kommuniziert über ganzkörperliche Äußerungen (Weinen, Lachen, Versteifen, Entspannen), wenige Körperbewegungen und Lautieren. Damit verbindet er verschiedene Absichten (Zustimmung, Ablehnung, Aufmerksamkeit, Befinden, Fortsetzen von Handlungen, Auswahl sichtbarer naher Dinge), welche von seinen Bezugspersonen interpretiert und verstanden werden müssen. Er wendet sich Personen zu, unterscheidet diese und hebt die Hand leicht zur Begrüßung. Er streckt den Arm leicht vor, um Dinge zu erreichen.
Sobald Iiro seine Intention nicht eindeutig durch seine Ausdrucksmöglichkeiten kommunizieren kann, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er nicht verstanden, oder wie im obigen Beispiel, sein Wunsch von seinem Gegenüber nicht gänzlich erfüllt, oder sogar gegensätzlich ausgeführt wird. So kann für Iiro schnell Kommunikationsfrust entstehen, der dann manchmal auch in Trauer und Tränen gipfelt.
Trotz der Erschwernisse hat Iiro im Laufe der Zeit Fortschritte in seiner Entwicklung gemacht und kann seine Kommunikation über Bedürfnisäußerungen gewinnbringender und verständlicher gestalten.
So wendet er beim Serien schauen das indirekte Scanning[1] an, indem er durch Weinen signalisiert, dass er eine Folge nicht ansehen möchte und wartet auf das nächste Angebot. Dieses indirekte Scanning geht dann so lange, bis ihm eine Folge angeboten wird, die er schauen möchte.
Obwohl sein engeres Umfeld gelernt hat, viele seiner Äußerungen zu interpretieren, muss Iiros Kommunikation im Großen und Ganzen aufgrund seiner eingeschränkten Ausdrucksmöglichkeiten im unmittelbaren verhaftet bleiben. Aus diesem Grund geht sie selten über die reine Bedürfnisäußerung hinaus. Abstraktere Kommunikationsanlässe, wie der Wunsch nach dem Zurückspulen der Serie, können von seinem Umfeld, wenn überhaupt, nur sehr vage interpretiert werden.
Bei einem Aufenthalt in einer Rehabilitations-Klinik ist für Iiros Familie in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den Logopäd:innen und Ärzt:innen vor Ort der Wunsch und das Ziel entstanden, Iiro eine Kommunikation zu ermöglichen, die über seine reine Bedürfnisäußerung hinausgeht und die nächsten Entwicklungsschritte realisiert, welche ohne Hilfsmittel nicht erreichbar wären. Er soll mit der Unterstützung über ein Hilfsmittel die Gelegenheit bekommen, zwischen verschiedenen Optionen zu wählen und so eigenständige(re) Entscheidungen treffen zu können. Durch die Unterstützung des Hilfsmittels kann er diese Entscheidungen dann auch für Kommunikationspartner:innen, die mit seiner Art der Kommunikation noch nicht vertraut sind, verständlich machen. So wäre er weniger auf die Interpretation seiner Gesprächspartner:innen angewiesen und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kommunikationsversuch nicht gelingt oder fehlinterpretiert wird (und dadurch Kommunikationsfrust entsteht), würde verringert werden.
Während des Reha-Aufenthalts wurde Iiro und seiner Familie direkt die Möglichkeit geboten, eine elektronische Kommunikationshilfe mit Augensteuerung zu erproben. Durch das Schauen auf ein Symbol wird dieses ausgewählt und gesprochen. In der Erprobung konnte Iiro erfahren, dass er das Gerät mit seinen Augen bedienen kann. Um erste Erfahrungen mit dem Gerät zu machen, spielte er beispielsweise „Torten werfen“. Bei diesem Spiel werden Bilder mit Torten beworfen, sobald Iiro diese mit seinem Blick fokussiert. Die Erprobung hat eindrucksvoll gezeigt, dass sich Iiro nicht nur sehr interessiert und fokussiert mit der Kommunikationshilfe beschäftigt hat, sondern auch, dass sein Sprachverständnis und sein Kommunikationsbedürfnis, über seine Ausdrucksmöglichkeiten hinausgehen.
Damit sich Iiro auch nach der Erprobung in der Reha weiterhin mit symbolbasierten, dynamischen Kommunikationshilfen vertraut machen kann, wurde er mit einem solchen Gerät für drei Monate probeversorgt. Mit diesem Hilfsmittel konnte er weiterhin probieren und entdecken, bis er mit seinem eigenen Gerät versorgt wird. Da die Ansteuerung über die Augen viel Übung benötigt, kann eine kurzzeitige Erprobung nicht immer erfolgreich sein. Vom Entdecken der eigenen Selbstwirksamkeit bis hin zu eigenständigen kommunikativen Äußerungen müssen viele Schritte durchlaufen werden, welche ausreichend Zeit und Aufmerksamkeit benötigen. In Iiros Fall hat sich die Erprobung in der Reha als positiv bewiesen und somit wurde der Versorgung mit einer elektronischen Kommunikationshilfe mit Augenansteuerung stattgegeben.
Durch die Kamerafunktion von Iiros Kommunikationshilfe ist es möglich, Fotos zu schießen und individuelle Fototasten für Personen seines Umfeldes anzulegen. Mit nur einem Klick auf die individuell angelegten Fototasten bekommt Iiro die Option, explizit über Personen zu kommunizieren, auch wenn diese gerade nicht anwesend sind. So bekommt Iiro in der Kommunikation nicht nur die Option eines Einbezuges seiner ganz individuellen Lebenswelt, er kann darüber hinaus mit Hilfe der Bilder gänzlich situationsunabhängig über Personen kommunizieren, die ihm wichtig sind.
Um Iiros Kommunikationsbedürfnis adäquat zu fördern und ihm verschiedene Hilfsmittel ergänzend zu seinen individuellen Ausdrucksmöglichkeiten an die Hand zu geben, hat seine Familie nach der abgeschlossenen Reha und der Probeversorgung mit dem Gerät mit Augensteuerung einen Termin in der örtlichen Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation bei Frau G. gemacht.
Durch Frau G. wurde Iiros Familie auf das Konzept des Modellings[2] aufmerksam gemacht. Um Iiro bestmöglich auf die Kommunikation mit der elektronischen Kommunikationshilfe vorzubereiten, sollte Iiros engeres Umfeld das Modelling in ihren Alltag einbauen und Iiro ganz natürlich daran teilhaben lassen. Wenn Iiro perspektivisch mit einer symbolbasierten Kommunikationshilfe kommunizieren soll, sollte sein Umfeld auch ergänzend zu ihren bisherigen kommunikativen Inhalten, Symbole nutzen und dadurch Iiros Art der Kommunikation zum gemeinsamen Kommunikationsmittel machen.
Wie so eine Modell-Situation zwischen Iiro und Frau G. in einer Beratungssitzung aussehen könnte, wird nachfolgend anhand einer Szene der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung mit dem Modelling einzelner Schlagworte skizziert.
Iiro und Frau G. sitzen am Tisch der Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation. Auch Iiros Eltern sind dabei und sitzen etwas abseits. Vor Iiro und Frau G. auf dem Tisch liegen ein großes Mitmach-Bilderbuch zum Thema Wetter und Iiros dynamische Kommunikationshilfe. Als Frau G. das Buch aufschlägt und zu Lesen beginnt, schaut Iiro wie gebannt auf seine Kommunikationshilfe. Er weiß schon ganz genau, was gleich passieren wird. Dann beginnt Frau G. vorzulesen: „Heute ist aber ganz mieses Wetter“, sagt Frau Schnecke zu Herrn Schnecke. Nachdem sie den Satz beendet hat, wendet Frau G. sich Iiros Kommunikationshilfe zu und tippt darauf herum. Erst ertönt das Wort Wetter, dicht gefolgt vom Wort Schnecke. Iiro betrachtet weiterhin seine Kommunikationshilfe mit leicht geöffnetem Mund. Frau G. beginnt wieder zu lesen. „Es ist so windig, da weht mir glatt der Hut vom Kopf“, antwortet Herr Schnecke. Wieder wendet sich Frau G. der Kommunikationshilfe zu, tippt kurz und die Worte Wind und Hut ertönen. „Iiro, möchtest du die Dinge auch so wie der Wind wegpusten?“ Frau G. sucht auf dem Laptop die Anwendung ‚look to learn‘. Dann öffnet sie ein Spiel, bei dem Gegenstände umgeweht werden, sobald Iiro diese mit der Augensteuerung erfasst. Iiro ist bereits ganz aufgeregt und lautiert als Antwort. Er schaut Frau G. aufmerksam an und diese nickt ihm ermutigend zu. Nach einem kurzen Moment richtet er seine Augen auf den Laptop und fixiert mit seinen Augen die Gegenstände. Auf einem abgebildeten Strand lässt Iiro mit Hilfe der Augensteuerung Bälle und Schirme durch die Luft fliegen. „Prima, du pustest ja genauso stark wie der Wind bei Frau und Herrn Schnecke“, sagt Frau G. zu Iiro. „Dann schauen wir mal, was Herrn und Frau Schnecke auf der nächsten Seite passiert. Lesen wir weiter“, sagt Frau G. freudig, während sie auf der Kommunikationshilfe das Symbol für „weiter“ sucht.
Trotzdem Iiro schon von der ersten Erprobung an sehr interessiert an seiner Kommunikationshilfe war, hat er sie anfangs kaum zum intentionalen Kommunizieren genutzt. So hat er zwar intuitiv und konzentriert auf die bunten Symboltasten geschaut, diese ausgelöst und Worte erzeugt, jedoch verband er damit noch keine kommunikative Absicht.
Die Beratung diente im Besonderen auch der Anleitung von Iiros Umfeld, um die Unterstützte Kommunikation im Alltag anzubahnen. Gemeinsam mit seinem direkten Umfeld und engsten Bezugspersonen, wurden mit Unterstützung von Frau G. für Iiro konkrete Fokuswörter ausgewählt, welche mit Symbolkarten eingeführt und später auch auf der elektronischen Kommunikationshilfe verwendet wurden. Im Laufe der Zeit konnte ein Zusammenhang zwischen den Symbolen auf seiner Kommunikationshilfe und kommunikativen Intentionen angeleitet werden. Besonders wenn Iiro zwischen mehreren Optionen wählen durfte, hat seine Oma die Kommunikationshilfe hinzugezogen, um Iiros Wahl in Verbalsprache zu übersetzen.
Die folgende Situation beschreibt eine beispielhafte Situation, wie sie Iiros Familie im Alltag umsetzen würde.
Iiro und seine Oma sitzen gemeinsam am Tisch. Sie hat Iiro nah an den Tisch gefahren, damit die Augensteuerung seinen Blick gut erfassen kann. Diese ist am unteren Rand des Bildschirms befestigt und nimmt Iiros Augen mit Hilfe von Infrarot auf. Vor ihnen liegt eine Mappe mit der Zeichnung einer Maus in ihrer Höhle. Rings um das Bild herum liegen einige ausgeschnittene Möbelstücke aus Papier. Iiro hat die Aufgabe bekommen, die bislang sehr triste Höhle der Maus mit Gegenständen seiner Wahl einzurichten. „So, Iiro, welchen Gegenstand soll die Maus in ihrer Höhle haben?“ fragt seine Oma an Iiro gewandt. Sie hat auf die linke Seite der Höhle das Bild eines Stuhls gelegt und auf die andere Seite einen Sessel. Dieser antwortet prompt: „Eh, ehh“, und lehnt sich in die Richtung des Papierbilds des Stuhls. „Oh ja, den Stuhl kann die Maus gut gebrauchen.“ Antwortet die Oma. Auch auf Iiros Kommunikationshilfe sind zwei Felder angezeigt. Im linken sieht man einen Stuhl, während im rechten Feld ein Sessel abgebildet ist. Iiros Oma drückt zugleich auf das Stuhlsymbol in Iiros Kommunikationshilfe. Das Wort Stuhl ertönt und Iiros Oma legt das Bild des Stuhls in die Höhle der Maus. Nun legt rechts das Bild eines Sofas und links eines Bettes hin du fragt: „Gut, welches Möbelstück darf als nächstes bei der Maus einziehen?“ Iiro lehnt sich aufgeregt in Richtung des Papierbettes. „Eine wunderbare Wahl, wollen wir gemeinsam das Symbol für Bett auf der Kommunikationshilfe auslösen?“ fragt seine Oma während sie eine neue Oberfläche mit einem Sofa und einem Bett öffnet. Iiro schaut nun einige Sekunden auf die Symbolseite. „Hast du das Bett gefunden? Schau mal da.“ sagt Iiros Oma ermutigend und zeigt auf das Symbol für Bett. Iiros Blick folgt ihrer Handbewegung und er fokussiert das Symbol einen kurzen Moment und es ertönt das Wort ‚Bett‘. „Genau, du hast es gefunden!“
Mit Hilfe der Kommunikationshilfe ist es Iiro möglich seine Absichten lautsprachlich auszudrücken und seinem Umfeld diese bewusst zu machen. Iiros Oma zieht die Kommunikationshilfe regelmäßig bei Aktivitäten heran. Durch die regelmäßige Beschäftigung und Nutzung beginnt Iiro das Ursache-Wirkungsprinzip sowie die Funktionsweise der Augensteuerung zu erfassen. Im privaten Umfeld hat er bereits viele Fortschritte gemacht und kann nach Aufforderung durch seine Kommunikationspartner:innen selbstständig einfache Wörter wie ‚ja‘, ‚nein‘, ‚nochmal‘ und ‚fertig‘ in ausgewählten Rastern auf seiner Kommunikationshilfe mit seinen Augen fokussieren und auslösen. Außerdem wählt er eigenständig Bilder von Personen, Spiele, Lieder und Aktivitäten aus. Zur weiteren Anbahnung und Übung wird die Kommunikationshilfe meist genutzt, um Spiele zu spielen, die ihm die Funktionsweise näherbringen. Zusätzlich zur elektronischen Kommunikationshilfe fließen auch Iiros Mimik, Gestik, Körperspannung und Blicke in das kommunikative Miteinander ein und ergänzen sie. Trotz des Zusammenwirkens aus körpereigenen und körperfremden Kommunikationsmitteln, bleibt die Interpretation manchmal uneindeutig oder schwer deutbar. Die Anbahnung von Unterstützter Kommunikation benötigt viel Zeit und umfassendes Engagement von Iiros Kommunikationsparter:innen, damit sie erfolgreich sein kann. Zusätzlich zu Iiros Oma wird er einmal in der Woche von seiner Lehrerin zuhause unterrichtet, da sein instabiler Gesundheitszustand den Schulbesuch nicht möglich macht. Auch Iiros Lehrerin bindet die Kommunikationshilfe umfassend in ihre Aktivitäten ein und unterstützt die Anbahnung des Gerätes. Aufgrund von Iiros Krankheit entstehen allerdings immer wieder Pausen, in denen sein Umgang mit der elektronischen Kommunikationshilfe mit Augensteuerung nicht gefördert werden kann. Trotzdem zeigt Iiro gute Fortschritte in seiner Kommunikation und der Verwendung der Kommunikationshilfe und nimmt die Angebote seiner Oma und Lehrerin an.
Frau G. besucht Iiros Familie zuhause. Sie möchte sich ein Bild von Iiros Fortschritten und der Umsetzung der Kommunikationshilfe machen, aber auch technische Fragen klären. Frau G. kann beobachten, dass Iiros Oma die besprochenen Methoden zur Anbahnung mit viel Motivation und Engagement umsetzt und neue Erkenntnisse und kreative Ideen in ihre Aktivitäten mit Iiro einfließen lässt. Sie setzt das Prinzip des Modellings mit viel Geduld um und hat immer neue Einfälle, wie sie Iiros Kommunikationshilfe einbinden kann. Als sich die Sitzung dem Ende zuneigt, unterhalten sich Iiros Eltern und Frau G. über die Feiertage. „Wir feiern Heiligabend ja meistens im kleinen Kreis. Also mein Mann und ich, Iiro und dann noch…“ erzählt Iiros Mutter, als dieser plötzlich den Kopf hebt und zu lautieren beginnt. „Ehhh, ehhhhh“, gibt er von sich und streicht sich mit der Faust über die Wange. Im Laufe der Zeit hat Frau G. gelernt, dass diese Geste für „Oma“ steht. „Ja, du weißt ganz genau wer da kommt. Deine Oma“, antwortet Iiros Vater lächelnd. „Wie passend, das wir Zuhause ein Bild von der Oma als Taste zu deiner Kommunikationshilfe hinzugefügt haben“, ergänzt Iiros Mutter und öffnet die Seite mit den Bildern der Personen aus Iiros näherem Umfeld. „Das ist ja spannend, Iiro, magst du mir deine Oma mal zeigen?“, fragt Frau G. „Eeeeeh“, antwortet Iiro und visiert das Bild seiner Oma an. Kurz darauf ertönt das Wort „Oma“ und Iiro beginnt laut zu lachen. „Tja, Oma ist wohl einfach die beste“, fügt Iiros Vater hinzu.